Dass Kühe und Wale ein ähnliches Vormagensystem haben und zudem noch in etwa die gleiche Mikroflora im Vormagen, hat Wissenschaftler lange Zeit Rätsel aufgegeben. Beide Tierarten, so unterschiedlich sie auch erscheinen, sind Polygastrier, das bedeutet, dass die aufgenommene Nahrung mehrere Magenabschnitte durchläuft und dort von unterschiedlichen Mikroorganismenarten verschiedenen Stoffwechselprozessen ausgesetzt ist.

Inzwischen geht man davon aus, dass die Vorfahren der Wale Landtiere waren und vor etwa 50 Millionen Jahren den Übergang zum Wasserleben vollzogen haben.

Wahrscheinlich war es ihre einzige Möglichkeit zu überleben und nicht wie die Dinosaurier auszusterben.

 

Im Pansen, dem Vormagensystem der Rinder befinden sich überwiegend anaerobe (nur unter Sauerstoffabschluss lebensfähige) Bakterien, Einzeller (sogenannte Infusorien) und Pilze.

Sie machen etwa 20% des Pansenvolumens aus.

Die Bakterien spalten Kohlenhydrate (Zellulose, Pektine, Xylane ), Zucker und Proteine.

 

Im Pansen sind etwa 10 hoch 6 bis 10 hoch 11 Bakterien pro ml vorhanden. (10 hoch 6 ist 1 Million und 10 hoch 12 eine Milliarde ! )

Sie gehören zu etwa 200 verschiedenen Arten. Unter anderem:

Ruminococcus spp. typische Pansenbakterien, die Cellulose auf Umwegen in Glukose umwandeln können um es dann selbst zu nutzen.

Lactobacillus spp. Sie können in einer Fermentation ohne Sauerstoff Kohlenhydrate zur Energiegewinnung verwerten. Das Produkt ist Milchsäure. Sie haben jedoch noch viele andere Eigenschaften. Z.B. können sie für einige andere Bakterienarten giftige Proteine bilden und diese abtöten oder ihr Wachstum hemmen, und spielen in der Lebensmittelindustrie eine wichtige Rolle. Für Menschen sind sie nicht pathogen. In dem von mir verwendeten Komplex sind viele dieser Stämme vorhanden.
Clostridium spp. Sie kommen überall (ubiquitär) vor, besonders im Boden und im Verdauungstrakt höherer Lebewesen. Unter ihnen gibt es nicht-pathogene Arten, die zum Teil in der Biotechnologie eingesetzt werden. Einige können Eiweiß spalten und andere Kohlenhydrate vergären. Ein Teil ihrer Produkte sind Buttersäure, Aceton, und Butanol.

Aber einige Stämme können auch gefährliche Krankheiten auslösen, z.B. Clostridium tetani, der den lebensgefährlichen Wundstarrkrampf hervorrufen kann.

Die Infektion wird durch kleinste tiefere Verletzungen ausgelöst, kann jedoch durch Impfung gut beherrscht werden.

Interessant ist, dass einige Tiere, z.B. Hunde oder Katzen kaum an Tetanus erkranken. (Ich hatte in über 30 Jahren Praxistätigkeit lediglich 2 an Tetanus erkrankte Hunde und keine einzige Katze, obwohl beide Tierarten generell nicht gegen Tetanus geimpft werden). Pferde und Menschen erkranken dagegen häufig, deshalb sollte bei ihnen die Tetanus-Impfung Pflicht sein.
Des weiteren Clostridium botulinum, der besonders bei Rindern häufig schwerste Infektionen verursacht. Die typische Form bei Rindern endet generell tödlich. Zunächst sind Zunge und Unterkiefer gelähmt. Die Zunge hängt aus dem Maul heraus, das Tier hat Schluckbeschwerden und starken Speichelfluss. Entwässerung und Komplikationen durch Festliegen sowie Lähmungserscheinungen, die sich über den ganzen Körper ausbreiten, führen schließlich zum Tod.

Im Vormagensystem von Rindern und anderen Polygastriern sind diese gefährlichen Stämme jedoch nicht vorhanden.
Bacteroides spp. (auch bei Menschen). Sie gehören zur Normalflora der Schleimhäute und des Darmtraktes und wachsen nur unter Sauerstoffabschluss. Ihr Stoffwechselweg ist die Fermentation. Aus verschiedenen Zuckern bilden sie Acetat ( Salze der Essigsäure) und Succinat (Salze der Bernsteinsäure) , die im Stoffwechsel eine wichtige Rolle spielen, aber auch in der Biotechnologie, unter anderem als Geschmacksverstärker. Succinat gibt manchem Wein die besondere Note.
Ein Großteil der Mikrobiota des Pansens ist bis heute nicht bekannt.

Neben den Abbauprozessen sind die Bakterien auch an der Aufrechterhaltung des Pansenmilieus beteiligt, damit das anaerobe Milieu aufrecht erhalten bleibt. Die im Einzelnen stattfindenden komplizierten Stoffwechselprozesse sind bis heute nicht vollständig geklärt.

Zusammengefasst kann man sagen:

Der Wiederkäuer stellt den Mikroorganismen eine Fermentationskammer zur Verfügung und erhält dafür von diesen folgendes zurück:

1.Energie:

Es entstehen etwa 5 mol (1mol = 12 g Kohlenstoff) Fettsäuren je kg Trockensubstanzaufnahme pro Rind.

2. Proteine:

Die Mikroorganismen verbleiben nicht im Pansen. Sie wandern in den Dünndarm, werden dort vom Rind weitgehend verdaut und liefern dem Tier dadurch Proteine.

3. Vitamine, Enzyme und andere wichtige Stoffe:

z.B. können die Mikroorganismen Cobalamin (Vitamin B12) und andere Vitamine synthetisieren.

 

Nach dem Vormagensystem, dass Pflanzenfressern die von Mikroorganismen produzierten Nahrungsbestandteile liefert, schließt sich bei Rindern der Labmagen an. Ihm werden die Nahrungsbestandteile aus dem Vormagen zugeführt. Sie gehen von dort über ähnliche Darmabschnitte wie bei den Monogastriern ihren weiteren Stoffwechselweg. Bei Kälbern, die zunächst mit Milch ernährt werden, gelangt diese direkt in den Labmagen, da sich das Vormagensystem erst entwickeln muß.
Ausser den Rindern gehören zu den Polygastriern u.a. noch
Kamele,

Languren

und Rote Riesenkängurus.

Sie alle bedienen sich der Mikroorganismen um Cellulose zu spalten.

Bei Pferden übernimmt der Blinddarm diese Funktion und

 

 

 

 

 

 

 

 

Hasen und Kaninchen fressen ihren eigenen Kot um an mehr Energie zu kommen.
Andere Monogastrier, wie Menschen und Schweine können Cellulose als Nahrungsquelle nicht nutzen.

Aufgrund der unterschiedlichen Nahrungsgewohnheiten und Umwelteinflüsse bildet sich deshalb bei den unterschiedlichen Arten eine individuelle Darmflora, die auch von Tier zu Tier und von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist.

 

 

 

Die Darmflora des Menschen besteht zu über 90 % aus 4 Arten:

Firmicutes
Bacterioidetes
Proteobacteria
Actinobacteria

 

Diese überwiegen auch bei Hunden.
Forscher gehen davon aus, daß die Ähnlichkeit der Darmflora von Mensch und Hund, damit zusammenhängt, dass Hunde schon mehr als 20 Tausend Jahre mit Menschen zusammen leben.

Der Hund musste sich den Nahrungsgewohnheiten des Menschen anpassen. Er hat andere Gene als sein Vorfahr, der Wolf entwickelt und auch eine andere Mikroflora. So ist er unter anderem auch in der Lage, Stärke zu verstoffwechseln, was der Wolf nicht kann.

 

Die Erforschung von Mikroorganismen bei Tieren und Menschen konzentriert sich auf die Mikrobiota des Darms, weil davon ausgegangen wird, dass sie in unterschiedlicher Weise die Gesundheit beeinflusst. Es ist nachgewiesen, dass Menschen, die an bestimmten Krankheiten (z.B. entzündliche Darmerkrankungen, Reizdarmsyndrom, Allergien) leiden, eine Darm-Mikrobiota aufweisen, die sich von Gesunden unterscheidet.

Die im Darm vorhandenen Mikroorganismen spielen nicht nur eine entscheidende Rolle für eine gute Verdauung und damit für die optimale Verwertung der aufgenommenen Nahrungsmittel, sie beeinflussen auch das Immunsystem. Im Darmtrakt befindet sich der größte und komplexeste Anteil an Immungewebe, das nur durch das Zusammenwirken mit einer unbeschädigten Darm-Mikrobiota funktionsfähig ist.
Veränderungen, beispielsweise durch eine Antibiotikatherapie, können das Immunsystem schädigen und somit das Risiko erheblich erhöhen, an Infektionen zu erkranken,, die durch opportunistische (fakultativ pathogene) Krankheitserreger ausgelöst werden.
Derartige Zusammenhänge sind bekannt und werden inzwischen von einigen Wissenschaftlern und Therapeuten für die Entstehung einer wachsenden Anzahl von Neuerkrankungen verantwortlich gemacht.